Lost Mafia Girl – Leseprobe

~~

Ich wurde

zu bedingungsloser Loyalität erzogen,

dazu Befehle zu befolgen, zu töten.

Angst, Schmerz und der Tod sind allgegenwärtig.

Ich lernte wie man

in der Welt der Mafia überlebt.

Nicht denken, nicht fühlen.

Niemals die Dinge hinterfragen.

Niemals sein Herz öffnen.

~~

Adrenalin

Der kalte Regen peitschte in mein Gesicht, während ich, den Griff des neun Millimeter Revolvers fest in der linken Hand und den Rucksack voll mit Heroin in der rechten, die Straße hinab durch die Dunkelheit jagte. Es war Anfang November und es war ungewöhnlich kalt dieses Jahr. Der Regen auf den Asphalt gefror und verwandelte die Straße in eine gefährliche Eisbahn.

Verdammt.

Ich verlor den Halt unter den Füßen und schlitterte die nächsten Meter quer über den Gehsteig. Gerade noch so konnte ich das Gleichgewicht halten und einen Sturz verhindern.

In der Ferne hörte man ein schnell näherkommendes Auto, das von Sirenengeheul begleitet wurde. Mein Puls beschleunigte, das Adrenalin schoss durch meinen Körper und machte mich high. In diesem Moment spürte ich, dass ich am Leben war. Ich nahm das Leben in jeder Faser meines Ichs wahr.

Nein, sie würden mich nicht erwischen.

Nicht in dieser Nacht!

Angespannt sah ich mich um. Die Hochhäuser ragten wie dunkle Riesen in den Himmel. In keinem der Fenster brannte noch Licht. Lediglich der Schein der Straßenlaterne spiegelte sich in den Glasscheiben wider.

An der nächsten Ecke kam ich zum Stehen und gerade als der Polizeiwagen oben in die Straße einbog, schlüpfte ich in einen schmalen Zwischenraum zwischen zwei der Hochhäuser und drückte mich in die schützende Dunkelheit.

Mein Atem ging zu schnell, die eisige Luft schmerzte in meiner Lunge. Angestrengt lauschte ich in die Nacht hinein. Blaues Licht kam näher. Vorsichtig drückte ich mich noch tiefer in die Gasse, hielt den Atem an und schloss die Augen, so, als könnte ich mich dadurch unsichtbar machen.

~~~

Langsam fuhr die Polizeistreife an mir vorbei, das Brummen des laufenden Motors ließ meinen Körper vibrieren. Mein Herzschlag passte sich den arbeitenden Zylindern an. Die Gedanken in meinen Kopf überschlugen sich.

In dem Rucksack befand sich fünf Kilo Heroin. Fest drückte ich das Paket an mich. Erwischten sie mich, ging ich für Jahrzehnte in den Knast.

Nun verwandelte sich mein Herzschlag in einen donnernden Bass, der direkt hinter meinen Trommelfellen wummerte.

Wie in Trance sah ich zu, wie das Blaulicht verschwand und nach links abbog. Dunkelheit und Stille kehrten in die Straße zurück. Es dauerte, bis ich mich beruhigt hatte. Tief atmete ich durch.

Nach einer Weile fischte ich mein Prepaid-Handy aus der Jackentasche und schaute auf das Display. In zwanzig Minuten sollte ich am Treffpunkt sein.

Shit.

Ich musste mich beeilen, die Zeit rannte mir weg. Daher verließ ich das Versteck und setzte meinen Weg fort.

~~~

Eine Minute nach Mitternacht erreichte ich den Schrottplatz am Flussufer. Eine Minute zu spät.

Jeder Atemzug brannte, ich spürte meine Arme nicht mehr und es stach höllisch in der Seite. Zudem war ich nass bis auf die Haut.

»Wird aber auch Zeit, dass du kommst Harry«, zischte mich der alte Mike an, dennoch breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. Er schnippte den Zigarettenstummel weg und kam mir entgegen. Er war für seine sechzig Jahre noch gut in Form und nur etwas kleiner als mein Vater.

Mike war der Großvater, den ich nie hatte. Die Mitglieder meiner Familie, hatten keine recht lange Lebenserwartung. Die einzige Ausnahme war Pa. Es war erstaunlich, dass mein Vater bereits 61 Jahre alt war. Schnell schob ich den Gedanken an ihn beiseite.

»Ich dachte schon, die Bullen hätten dich erwischt, Kleines.« In seinen braunen Augen trat Stolz, doch als er die Waffe in meiner Hand und das getrocknete Blut auf meiner Haut sah, wurde er ernst. »Hattest du Schwierigkeiten?«

»Nichts, mit dem ich nicht fertig geworden wäre. Der Typ dachte, er könnte mich überwältigen und mir an die Wäsche gehen.« Ich lachte überdreht, obwohl ich innerlich schauderte.

»Hast ihn abgeknallt, wie?«

Seine Frage schüttete sich über mich wie eiskaltes Wasser. Ich begann zu frieren und schwieg. Während ich ihm den Rucksack in die Hand drückte. »Leone wird auf sein Paket warten. Du solltest los.«

Mike sah mich lange an und nickte. »Hast recht, Harry. Grüße deinen Alten von mir. Sag ihm, er kann stolz auf dich sein.« Dann nahm er den Rucksack und stieg in seinen schwarzen SUV.

~~~

Als ich die Stufen zu unserem Haus hochstieg, schienen meine Füße in Betonschuhen zu stecken. In Eingangsbereich brannte Licht, alle anderen Zimmer waren dunkel, das hieß, Pa war unten im Keller. Fast glaubte ich, die Schreie der Frau, die er gerade in der Mangel hatte, zu hören. Das konnte allerdings nicht sein, da unser Keller schalldicht war und dieser tiefer in die Erde ging, als man von außen annehmen konnte.

Erschöpfung breitete sich in meinen Knochen aus. Meine Hand zitterte, als ich die Haustür öffnete und in die Hölle auf Erden eintrat. Mit einem leisen Klick schloss sich die Tür mit der Buntglasscheibe.

Als aller Erstes sicherte ich die neun Millimeter und legte sie in die oberste Schublade der Kommode zu den anderen Knarren. Meinen Vater würde ich niemals mit einer geladenen Waffe gegenüber treten. Nicht, wenn ich überleben wollte und ich wollte leben – irrsinnigerweise hing ich an diesem beschissenen Leben.

Schwere Schritte stampfen gerade die Kellertreppe empor. Ich atmete auf, so wurde mir der Weg nach unten erspart. Keine Sekunde später stand er vor mir.

Matteo Benedetti, ein Mann, der trotz seines Alters noch nichts an seiner Größe von 1,90 m eingebüßt hatte. Er hielt vor mir inne und schien jedes Licht zu verdunkeln. Seine braunen graumelierten Haare standen wirr ab und seine braunen Augen loderten noch vor Gier. An seiner Wange hatte er einen frischen Kratzer und die Knöchel seiner linken Hand waren aufgeplatzt. Er trug kein T-Shirt, nur eine schwarze Jogginghose. In seinem dichten Brusthaar kleben getrocknete Blutreste. Er roch nach Sex. Augenblicklich drehte sich mir der Magen um. Schnell vergrub ich meine Hände tief in den Hosentaschen.

»Junge, da bist du ja. Gab’s Probleme?« Mit langen Schritten kam er auf mich zu und warf mir seinen schweren Arm um die Schultern.

Nicht einknicken, dachte ich. Bleib stehen! »Nein, Pa. Ich soll dich von Mike schön grüßen.«

Er lachte los, dunkel, wie ein Donnergrollen.

»Ich werde ihn morgen anrufen. Der Arsch der kleinen rothaarigen Schlampe wird ihm gefallen. Verflucht eng, dachte, mein Schwanz würde in ihr stecken bleiben.«

Es war gesünder für mich, nicht darauf zu antworten. »Ich geh duschen«, murmelte ich daher.

»Lass mir noch heißes Wasser übrig.«

 Ich nickte und eilte hinauf ins Bad.

~~~

So wie ich die Tür abgeschlossen hatte, schälte ich mich hastig aus der feuchten Kleidung und warf sie in den übervollen Waschkorb. Unweigerlich fiel mein Blick in den Spiegel. Mein rechtes Auge war geschwollen und morgen würde ich mit Sicherheit ein fettes Veilchen haben.

Verdammter Scheißkerl!

In meinen blauen Augen konnte ich den Nachhall des Schreckens sehen. Meine Brüste waren zum Glück sehr kleine Äpfel, so konnte ich sie gut abbinden und unter den weiten T-Shirts und Pullis waren sie kaum zu erkennen. Meine eigentlich lockigen, blonden Haare trug ich kurz. Dennoch hatte der Kerl heute registriert, dass ich eine Frau war und versuchte, mich zu vergewaltigen.

Ekelhaftes Schwein!

Alle!

Ich schloss die Augen und konnte seinen Körper auf meinen spüren, den schmerzhaften Griff mit denen er meinen Busen begrabschte. Den Geschmack von Whiskey und Zigaretten auf seiner Zunge schmecken, als er mich grob küsste.

Im ersten Moment war ich gelähmt, doch dann aktivierte sich mein Überlebensinstinkt. Ich zog meine Waffe und drückte ab. Er jaulte auf wie ein Hund, seine Hose voller Blut.

So viel Blut!

Keuchend riss ich die Augen auf und stieg in die Dusche. Das heiße Wasser ließ ich über meinen Körper laufen bis es schmerzte.

»Ich bin ein Mann. Ich bin ein verfluchter Mann, in einer beschissenen Welt«, flüsterte ich unter Tränen, als konnte es allein dadurch Wirklichkeit werden, indem ich es aussprach.

Doch die Wahrheit war, ich war eine Frau, die ein Mann sein musste, damit sie in dieser Welt der Gewalt überleben konnte.

Das eBook ist ab 30. November 2024 exklusiv auf Amazon und Kindle Unlimited erhältlich.

Das Taschenbuch kann bereits bei Amazon bestellt werden.